04.12.2013
Kommentar
Dialog ist kein PR-Gag
Von Roland Juchem
In meinem Gymnasium in Delmenhorst bei Bremen Ende der 1970er Jahre hatten wir einen hervorragenden Religionslehrer: Rudolf Voet. Er war Priester und Dechant, gewitzt, gebildet und überzeugend. Und so saßen dort im katholischen Religionsunterricht in der Oberstufe auch Nichtkatholiken. Einer von ihnen bekannte sich als Atheist, war sogar Mitglied im Kommunistischen Bund Westdeutschland.
Der hat sich 1985 aufgelöst. Aber an die Diskussionen mit Peter erinnere ich mich heute noch. Er kannte die Bibel besser als mancher von uns Obermessdienern, und seine Argumentationen waren nicht leicht zu kontern. Auch weil unser Relilehrer uns nicht so schnell beisprang, wenn‘s knifflig wurde. Wir sollten da allein klarkommen.
Religionsunterricht bei Herrn Voet war zeitweise so etwas wie unlängst der „Vorhof der Völker“ in Berlin: Über den hat Kurienkardinal Gianfranco Ravasi als Mitveranstalter gesagt, Atheisten und Agnostiker könnten Christen dabei helfen, „andere Seiten der Wahrheit“ zu entdecken. Ja, so ist es: andere Seiten der Wahrheit entdecken, die grauen Schattierungen – und die bunten –, die das Leben und Denken der Menschen sonst noch bieten. Den eigenen Glauben kritischer und geklärter verstehen – und trotzdem immer wieder wundern und staunen.
Wenn ein Teil der Gesellschaft fundamentalistischer wird und ein anderer immer gleichgültiger, fällt gepflegter, offen-kritischer Dialog nicht leicht. Daher war zur Dialoginitiative des Vatikans, die auf eine Idee Benedikts XVI. zurückgeht, aus dem Roten Rathaus in Berlin auch Lob zu hören: Da reden Gläubige und Nichtgläubige miteinander. Andernorts schlagen sie sich die Schädel ein oder spotten nur.
Wenn aber, wie beim teilnehmenden Philosophen Herbert Schnädelbach, der Verdacht aufkommt, das Ganze sei ein PR-Gag der Kirche, weil sie allein die Spielregeln bestimmt, mindert das die Glaubwürdigkeit. Zwar haben nicht alle Teilnehmer so empfunden wie Schnädelbach. Dennoch wäre künftig zweierlei zu beachten: Als Veranstalter sollte die Kirche nicht zu viel Raum für sich beanspruchen. Und es wäre gut, wenn auch andere Organisationen solche Gespräche organisierten.
Das ehrliche Gespräch von Gläubigen, Nichtgläubigen und Zweiflern tut not. Dafür sollte ich mich als Christ zum einen intellektuell gut wappnen und redlich debattieren. Zum anderen mich so verhalten und gebärden, dass andere sagen können: „Respekt! An deinen Früchten erkenne ich, woran du glaubst, auf wen du setzt.“