10.01.2013
Theologe Metz in Esterwegen
„Schrei gegen das Vergessen“
Mit Johann Baptist Metz hat einer der bedeutendsten und einflussreichsten deutschsprachigen Theologen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Gedenkstätte und das Kloster Esterwegen besucht. Die Gedenkstätte öffnet jetzt wieder.
Johann Baptist Metz, der 1954 zum Priester geweiht worden ist, hatte von 1963 bis 1993 den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westfalen) inne. Danach war er mehrere Jahre an der Universität Wien als Gastprofessor tätig. Es ist nach wie vor das besondere Anliegen von Metz, der bei seinem Besuch in Esterwegen von Generalvikar Theo Paul begleitet wurde, die „Autorität der Leidenden“ in die Theologie neu einzuführen bzw. wieder daran zu erinnern.
Die sogenannte Theodizee-Frage, die angesichts des guten und allmächtigen Gottes Antworten auf das Leiden in der Welt zu geben versucht, sieht er als bleibenden Auftrag an Kirche und Theologie, die „memoria passionis“ - Erinnerung des Leidens - zu bewahren. Von daher, so Professor Metz, sei ihm der Besuch der Gedenkstätte und des auf dem Gelände der Gedenkstätte errichteten Klosters ein besonderes Anliegen gewesen.
Geführt von Andrea Kaltofen besuchte der Wissenschaftler die Dauerausstellung, die durch Texte, Fotos und Gegenstände das Leben und Leiden im Lager Esterwegen eindrucksvoll dokumentiert. Aufgeworfen wird auch die Frage nach den Tätern sowie den Strukturen und Prozessen, die das Handeln ermöglichten. Nach dem Gang durch die Ausstellung suchte Metz die Kapelle des Klosters auf. Sehr nachdenklich stand er vor der Wand mit dem Lied der Moorsoldaten. Und sichtlich betroffen verharrte er im „Raum der Sprachlosigkeit“, wo die Atmosphäre im diffusen Licht ein Nachspüren der Gefangenschaft schafft, aber auch - wie Schwester Jacintha erklärte - Denkanstoß ist, über das Verfängliche der damaligen wie auch unserer Zeit nachzudenken.
Der Besuch der Ausstellung und des Klosters habe ihn sehr nachdenklich gestimmt und ihn in seiner Auffassung bestärkt, dass „weiter an der Frage, die uns die Opfer aufgeben“, gearbeitet werden müsse, erklärte Metz. Und er fügte hinzu: „Die gesamte Anlage - KZ-Gelände, Ausstellung und Kloster - sind ein Schrei gegen das Vergessen.“
Öffnung nach der Winterpause
Nach einmonatiger Winterpause öffnet die Gedenkstätte Esterwegen ab Mittwoch, 16. Januar, ihre Türen wieder für Besucher. Von Dienstag bis Sonntag können die Ausstellungen und das ehemalige Lagergelände von 10 bis 17 Uhr (ab April bis 18 Uhr) besichtigt werden. Darüber hinaus wartet die Gedenkstätte mit einem vielfältigen Jahresprogramm auf, das im Januar mit drei Veranstaltungen seinen Anfang nimmt.
80 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Errichtung von drei Konzentrationslagern im Emsland im Sommer 1933 beschäftigen sich mehrere Vorträge mit den Geschehnissen in den Lagern. Am Sonnabend, 19. Januar, um 15 Uhr hält Kurt Buck einen Vortrag zur Geschichte der Emslandlager. Anhand von historischen Aufnahmen erhalten Teilnehmer einen Überblick über die 15 Lager, die zwischen 1933 und 1945 als Konzentrations-, Strafgefangenen- und als Kriegsgefangenenlager dienten. Der Eintritt kostet 5 Euro.
Am Sonntag, 27. Januar, wird bundesweit der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Anlässlich des Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz berichtet ab 15 Uhr Zeitzeugin Erna die Vries über ihre Erinnerungen an Verfolgung und Deportation. Vor dieser Veranstaltung wird um 14 Uhr die Sonderausstellung „‘Werden sie uns wehtun?‘ - Kinder und Jugendliche in Auschwitz 1940 bis 1945“ eröffnet. Schülerinnen und Schüler der Realschule Friesoythe und ihr betreuender Lehrer Michael Podkrajac, die diese Dokumentation 2011/2012 erarbeitet haben, führen in ihre Ausstellung ein und tragen mahnende Texte vor. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei.
An jedem ersten Sonntag im Monat finden um 11 Uhr und um 15 Uhr öffentliche Führungen statt. Führungen für Schulklassen und andere Gruppen ab 15 Personen können ab unter der Telefonnummer 05955/988950 und per E-Mail an fuehrungen@gedenkstatte-esterwegen.de [1] angefragt werden. Das vorläufige Jahresprogramm liegt in der Gedenkstätte aus und kann hier eingesehen werden: http://www.gedenkstaette-esterwegen.de [2]
Willy Rave/Anja Rohde