15.11.2016
Buchautor Anselm Grün empfiehlt den Dialog mit Atheisten
Zweifel können verbinden
Manche Atheisten sind Suchende, sagt Benediktinerpater Anselm Grün. Mit ihnen könnten Christen ins Gespräch kommen. Über Zweifler und ihr „Gespür für Glauben“ sprach der Pater auf Einladung des Kirchenboten in der Herz-Jesu-Kirche in Osnabrück.
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Der Theologe Anselm Grün erläuterte die Aeropagrede des Paulus als Beispiel dafür, wie man mit Ungläubigen sprechen könne. Fotos: Thomas Osterfeld |
Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen wunderschönen Tag und möchten am Abend Gott dafür danken. Sie beten zu ihm – doch es gibt ihn gar nicht. Sie haben Probleme und tragen ihre Sorgen vor Gott – aber da ist ja gar nichts. Unvorstellbar? Für viele Menschen in Deutschland birgt die Vorstellung, dass es keinen Gott gibt, keinen Schrecken. Sie sind Atheisten, oft solche, die Gott nicht etwa explizit ablehnen, sondern einfach nichts von ihm wissen und ihn auch nicht vermissen.
Gläubige Christen werden von den Atheisten der säkularisierten Welt bisweilen als Gestrige betrachtet, die man belächelt; Gott kommt in den Diskussionen der Atheisten erst durch die Islamisten wieder ins Gespräch, die Terrorakte im Namen ihres Gottes verüben.
In unserer Gesellschaft ist es inzwischen recht verbreitet, nicht an Gott zu glauben. Das beschreiben der tschechische Priester Tomaš Halík und Benediktinerpater Anselm Grün in ihrem Buch „Gott los werden?“ und diskutieren, ob viele Menschen wirklich gottlos geworden sind und ob es vielleicht sinnvoll ist, alte Gottesbilder los zu werden, um neue aufzubauen. Der Kirchenbote hatte Halík und Grün eingeladen, in der Herz-Jesu-Kirche Osnabrück ihre Thesen vor Publikum zu erläutern. Aber da Tomas Halíks Flugzeug in Prag nicht gestartet war, musste Pater Anselm Grün ohne seinen Ko-Autor auftreten.
Zunächst aber las Bischof Franz-Josef Bode aus dem Manuskript von Tomaš Halík vor, in dem Halík feststellt, dass nur ein Glaube, der Zweifel beinhaltet, kein halber Glaube ist. Der Dialog des Glaubens mit dem Unglauben spiele sich im Inneren sehr vieler Menschen ab. Glaube und der Unglaube eines bestimmten Typus seien zwei Blicke aus verschiedenen Perspektiven auf denselben, in die Wolke des Geheimnisses gehüllten Berg.
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Viele sprechen vom apersonalen Gott
Den Typus des suchenden Ungläubigen hat auch Anselm Grün im Blick, wenn er feststellt, dass Christen mit den Atheisten einen Dialog führen sollten. Dabei klammert er die aggressiven Atheisten und die gleichgültigen (die Apatheisten) aus. Er meint die suchenden Atheisten, die eigentlich nach Gott fragen. Aber, so sagt Anselm Grün, „heute sprechen viele vom apersonalen Gott.“ Gott sei für diese Menschen „die Liebe, die Energie“. Für Christen dagegen sei klar: „Gott ist immer beides, der Grund allen Seins, aber auch das Geheimnis, das ich mit Du ansprechen kann.“
Wichtig sei, mit Atheisten den Dialog zu führen. Viele seien suchende Menschen, die berührt werden wollten, ist Anselm Grün überzeugt. Manche ließen sich berühren durch die Spur Gottes in der Schönheit der Schöpfung. Manche Menschen hätten allerdings wirklich gar kein Gespür für Glauben, darunter viele Menschen im Osten Deutschlands. Sie würde er fragen: Was trägt dich? Was ist dir wichtig?
Moderatorin Susanne Haverkamp fragte Anselm Grün, ob der Unglaube zunehmen werde und die Christen eine „schöpferische Minderheit“ werden, wie Tomas Halik es einmal ausgedrückt habe. Nein, sagt der Benediktinerpater, die Verbindlichkeit lasse zwar nach, auch in der Kirche, „aber ich glaube nicht, dass Christen eine Minderheit werden.“ Kirche wandele sich, „und wir müssen qualitativ daran wachsen.“
Andrea Kolhoff
Buchtipp: Anselm Grün, Tomaš Halík, Winfried Nonhoff: Gott los werden, Wenn Glaube und Unglaube sich umarmen. Vier-Türme-Verlag Münsterschwarzach, 199 Seiten, 19,99 Euro.
Zur Sache
In ihrem Buch „Gott los werden? Wenn Glaube und Unglaube sich umarmen“ schreiben Benediktinerpater Anselm Grün und der tschechische Priester Tomaš Halík über den wachsenden Unglauben in unserer Gesellschaft. Sie unterscheiden drei Arten des Atheismus: den aggressiven Atheismus, wie Halik ihn in seiner Heimat zur Zeit des Kommunismus erlebt hat, den suchenden Atheismus, dessen Vertreter durchaus Sinnfragen stellen, und den apathischen Atheismus. Die Menschen, die zum apathischen Atheismus gerechnet werden, sind keineswegs auf der Suche nach Gott, sie leben ihr Leben und vermissen ihn nicht.