02.11.2016
Frankfurter Buchmesse: Kinder und Jugendliche sind anspruchsvolle Leser
Bücher – so weit das Auge reicht
Was wird in diesem Herbst gelesen? Ob Kinderkrimi oder Jugendroman, ob zur Unterhaltung oder Erklärung – die Neuerscheinungen des Jahres halten für jeden Bücherfreund etwas bereit. Trends von der Frankfurter Buchmesse.
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Der Griff zum Buch ist ungebrochen, auch in der Kinder- und Jugendliteratur. Foto: Christine Schniedermann |
In Halle 3.0 auf dem Gelände der Frankfurter Messe geht es sehr geschäftig zu. Hier haben viele Kinderbuchverlage ihre Stände, gleich neben der Belletristik. Bilderbücher, Wissensbücher, Romane für junge Leser oder spannende Jugendkrimis werden präsentiert, gestapelt, ausgeleuchtet. Es ist eine wahre Bücherflut, die einem auf der Internationalen Buchmesse entgegenschwappt.
Traditionell ist das Geschäft mit Kinder- und Jugendbüchern keinen großen Schwankungen unterlegen, kleine Trends und Entwicklungen gibt es dennoch. „Die Bücher dürfen wieder üppiger werden und die Ansprüche an die Geschichte, Bilder und die Covergestaltung sind gestiegen“, sagt Anja Lösch, Pressesprecherin von Beltz und Gelberg. Beim Kosmos Verlag heißt es, dass der Trend „zurück zur Natur“ ungebrochen ist. Deshalb hat Kosmos Naturführer wie „Was fliegt denn da?“ für die ganz Kleinen entwickelt. Neben Anschauen und Erfahren können Kinder ab vier Jahren auch malen oder Sticker in die Bücher kleben. Aber auch fantasievolle Abenteuergeschichten, wie Cornelia Funkes neuer Kinderroman „Die Feder des Greifs“, finden immer begeisterte junge Leser.
Viele Verlage und noch mehr Bücher, da kann lediglich ein kleiner Ausschnitt vorgestellt werden. Um sehr viel Vertrauen geht es in der Geschichte „Djadi, Flüchtlingsjunge“ von Peter Härtling (Beltz, ab zehn Jahren). Der elfjährige Djadi flüchtet aus Syrien nach Frankfurt. Was hat er allein auf der Flucht erlebt? Djadi kommt in eine sogenannte Alten-WG. Er lernt die Sprache und macht sich mit den Gepflogenheiten vertraut. Aber im Mittelpunkt steht eine Großvater-Enkel-ähnliche Beziehung zwischen Wladi und Djadi. Ein Buch, das Kindern wie Erwachsenen auf einfühlsame Art das Thema „Flucht“ näherbringen soll.
In „Die Attentäter“ (ab 16 Jahren) von Antonia Michaelis (Oetinger) geht es um die Frage, was jemanden dazu bringt, sich zu radikalisieren. Cliff und Alain sind Freunde, bis Cliff eines Tages zum Islam konvertiert und ins terroristische Milieu abdriftet. Er soll einen Anschlag durchführen. Alain möchte seinem Freund helfen. Ob er es schafft?
Sehr viel Einfühlungsvermögen erfordert es, wenn eine nahestehende Person – Oma, Onkel, Mutter – eines Kindes stirbt. Bei Carlsen ist das Mitmachbuch „Weil du mir so fehlst“ erschienen. Die Autorin Ayse Bosse ist Trauerbegleiterin und widmet sich vor allem dem Thema „Kinder und Trauer“. „Auch wenn es hart ist, aber man soll den Kindern die Tatsachen nennen und nicht in weiche Sätze wie ,Oma ist eingeschlafen‘ ausweichen“, erklärt Carlsen-Sprecherin Katrin Hogrebe zum Buch. Es soll helfen, einen großen Verlust zu verarbeiten. In eine „Trauersuppe“ können Kinder beispielsweise alles hineinschreiben oder malen, was in ihrer Trauersuppe schwimmt. Das Buch wird für Kinder ab vier Jahren empfohlen.
Weniger dramatisch aber durchaus problematisch geht es zu im Buch „Peters Wutzauber“ von MAKI und Eva Rust (Atlantis Verlag). Dass Kinder gelegentlich mal Wutausbrüche haben, ist für Eltern und Erzieher nichts Neues. Doch Peters Wutanfälle und Beschimpfungen haben ungeahnte Folgen. Peters Beleidigungen werden wahr und so wird Papa zum dummen Kühlschrank oder die Kindergärtnerin zum Schaf. Am Ende steht Peter ohne Familie und Freunde da. Die Geschichte führt allen Konflikteilnehmern höchst anschaulich und großartig illustriert vor Augen, welche Macht Worte haben können – was ebenso für das Wort „Entschuldigung“ gilt.
Wer Detektivgeschichten liebt, der kommt bei Kirsten Boies „Thabo: Detektiv und Gentleman – Die Krokodil-Spur“ (ab zehn Jahren) auf seine Kosten. Die kleine Delighty ist verschwunden und Thabo, ein Detektiv im besten Jungenalter – welches genau wird nicht verraten – soll sie suchen. Leider werden noch drei weitere Kinder vermisst. Ob Thabo sie finden kann? „Kirsten Boie schafft es, neben einer spannenden Detektivgeschichte zu erzählen, wie Kinder in Afrika leben. Und sie verzichtet völlig auf Problematisierung“, betont Judith Kaiser vom Oetinger Verlag.
Fesselnd ist auch die Geschichte von „Polly Schlottermotz“ (Planet, ab acht Jahren). Polly bekommt einen sehr großen Eckzahn und mit ihm ist das Familiengeheimnis gelüftet: Polly ist ein Vampir. Aber sie trinkt nur Blutorangensaft und geht tagsüber zur Schule. Allerdings muss sie ihre Zauberkräfte im Zaum halten.
Kein Vampir, aber dafür ein Geisterhund, ist „Pelle von Pimpernell“ (Kosmos, ab acht). Eigentlich dachte er, er würde sterben und käme in den Himmel. Stattdessen bleibt er in der Nähe seiner geliebten Winnie – als Geist. Das Mädchen kann ihren Lieblingshund weder sehen noch hören, egal, wie sehr sich Pelle anstrengt. Doch das scheint nicht sein einziges Problem zu sein.
Christine Schniedermann